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Rassismus an Schweizer Schulen: Was tun?
Aus News Plus vom 30.04.2024. Bild: Keystone/Christian Beutler
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Bericht zu Diskriminierung Was tun, wenn der Rassismus an der Schule grassiert?

Rassismus an Schulen ist Realität, zeigt ein Bericht. Expertinnen sagen, wie er entsteht – und was dagegen getan werden kann.

Es sind Fälle, die betroffen machen. Ein schwarzes Mädchen sitzt im Schulzimmer, plötzlich stimmt die halbe Klasse ein rassistisches Lied an. Andernorts passiert es in der Turnstunde: Schwarze Schülerinnen und Schüler werden im Geräteraum eingesperrt – draussen stehen ihre Gspänli und decken sie mit übelsten Beleidigungen ein. In einem weiteren Fall verlagert sich der Hass in einen Gruppenchat: Dort wird ein elfjähriger Junge zur Zielscheibe seiner Schulkameraden, erhält verstörende Bilder und wird mit dem N-Wort angesprochen.

Gerade die Schule sollte der Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche vor jeglicher Diskriminierung geschützt sind.
Autor: Ursula Schneider Schüttel Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR)

Letztes Jahr sind zum ersten Mal mehr rassistische Vorfälle an Schweizer Schulen als am Arbeitsplatz gemeldet worden. Das zeigt der aktuelle Rassismusbericht.

Eine bedenkliche Entwicklung, wie Ursula Schneider Schüttel festhält. Sie ist Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. «Denn gerade die Schule sollte der Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche vor jeglicher Diskriminierung geschützt sind.»

Gesteigerte Sensibilität gegenüber Rassismus

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Die Zahlen sprechen eine vermeintlich eindeutige Sprache. Doch nehmen rassistische Vorfälle an Schweizer Schulen tatsächlich in alarmierendem Ausmass zu? Es gebe nicht mehr rassistische Vorfälle, sondern viel mehr eine grössere Sensibilität, wenn es um Rassismus gehe, sagt Alma Wiecken, Geschäftsleiterin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. «Ich denke, es hat sich sehr viel getan, was die Sensibilisierung angeht. Die Schulen haben das Thema jetzt auch mehr aufgenommen. Es gibt auch in der Aus- und Weiterbildung Fortschritte und das führt dann natürlich auch zu mehr Meldungen.»

Ähnlich sieht es Anja Glover, sie ist Soziologin und Anti-Rassismus-Trainerin. «Rassismus-Vorfälle werden erkannt, benannt und auch gemeldet.» Dazu brauche es auch den Mut von Direktbetroffenen, solche Vorfälle auch tatsächlich zu melden. Bei aller gesteigerter Sensibilität: Glover erkennt nach wie vor grossen Aufholbedarf, wenn es darum geht, Rassismus an Schulen anzusprechen und Aufklärung zu betreiben. Heute würden Antirassismus-Trainings oft von motivierten Lehrpersonen oder von Eltern initiiert und manchmal sogar mitfinanziert. Der bewusste Umgang mit dem Thema müsse aber institutionalisiert werden.

Die Erfahrungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen erschüttern. Doch was kann man tun, wenn Schülerinnen und Schüler rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind? Was soll ein betroffener Schüler tun oder eine Lehrerin, die etwas beobachtet?

Die Schule, in der schwarze Schülerinnen und Schüler im Geräteraum eingesperrt wurden, reagierte sofort: Sie suspendierte die Täterinnen und Täter für zwei Tage und suchte das Gespräch mit den Eltern. Trotzdem sei die Schulleitung über die fehlende Einsicht besorgt gewesen – und die betroffenen Schülerinnen und Schüler hätten berichtet, dass rassistische Äusserungen und Übergriffe zu ihrem Alltag gehörten. Für diese akute Situation habe eine Beratungsstelle externe Bildungsangebote empfohlen.

Genau das macht die Anti-Rassismus-Trainerin Anja Glover. Sie wird als externe Beraterin in Schulen eingeladen, spricht dort mit den Klassen über Rassismus und klärt auf. «Als schwarze Frau wurde ich selbst früh mit Rassismus konfrontiert», schildert Glover. Das habe dazu geführt, dass sie sich eingehend mit dem Thema beschäftigt und den Willen entwickelt habe, etwas gegen Rassismus zu unternehmen.

Wo beginnt Rassismus?

Auf dem Pausenplatz kann ein rauer Umgangston herrschen. Suchen sich Kinder und Jugendliche nicht einfach das erstbeste Merkmal heraus, wenn sie Mitschüler attackieren? Verfolgen sie tatsächlich eine «rassistische» Absicht? Für Glover ist sekundär, welche Motivation dahinter steckt: «Es geht nicht wirklich um die Intention. Denn der Schaden, der angerichtet wird, ist derselbe.»

Wie gross dieser Schaden sein kann, weiss Gina Vega, die am Rassismusbericht mitgearbeitet hat. «Der Selbstwert und das Selbstbewusstsein der Betroffenen werden beeinträchtigt. Sie verlieren die Motivation, in die Schule zu gehen und zu lernen.»

Schwarzer Junge sitzt traurig an Wand angelehnt.
Legende: Wenn die Hautfarbe die erstbeste Möglichkeit sei, um andere abzuwerten, zeige gerade das, wie stark rassistische Vorstellungen in der Gesellschaft verbreitet seien, sagt Glover. Und ebendiese Vorstellungen würden auch an Schulen reproduziert. Imago (Symbolbild)

In ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht Glover sehr positive Erfahrungen. «Nach dem Workshop wollen sie selbst mit daran arbeiten, Rassismus zu erkennen.» Es gehe nicht einfach darum, dass man gewisse Dinge «nicht sagt». Vielmehr gehe es darum, zu verstehen, woher Rassismus kommt und wie er erlernt wird. Und auch bewusst wieder «verlernt» werden kann.

Das Fazit der Coachin: Kinder und Jugendliche haben Rassismus nicht erfunden. Sie sind in eine Welt hineingeboren worden, die rassistische Strukturen hat. Und wer das Thema mit Kindern und Jugendlichen offen angehe, könne viel bewirken. Der Hebel sei riesig.

SRF 4 News, 30.04.2024, 17:15 Uhr;

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